Die Exposition ist die effektivste Methode gegen Höhenangst, sagt die Angstforscherin Beray Macit
- Höhencoach
- 11. Feb.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Apr.

Beray Macit ist psychologische Psychotherapeutin und promoviert als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit der Ruhr-Universität Bochum. Beray Macit ist in dieser Funktion verantwortlich für die Studie «5 Termine gegen Höhenangst» im Sonderforschungsbereich «Extinktionslernen», welche für viel Aufsehen gesorgt hat. Seither wird Beray Macit von Medien oft auch als «Angstforscherin» zitiert. In ihrer Funktion als psychologische Psychotherapeutin, hat Beray Macit auch die Entwicklung des FEAR-Modells von Höhencoach unterstützt.
Höhencoach: Im Jahr 2023 hatten Sie mit dem Aufruf zur Teilnahme an Ihrer Studie «5 Termine gegen Höhenangst» für viel Aufsehen gesorgt. War das Heilversprechen «innert 6 Wochen die Höhenangst besiegen» für eine wissenschaftliche Studie einer angesehenen Universität nicht etwas gar zu marktschreierisch?
Macit: Heilversprechen sind grundsätzlich in der klinischen Psychologie und Psychotherapie nicht erlaubt. Daher haben wir auch kein Heilversprechen gegeben. Bezeichnungen wie «innerhalb von sechs Wochen die Höhenangst besiegen» wurden von unterschiedlichen Medien ohne Absprache mit uns erstellt und waren für uns eher problematisch.
Höhencoach: Seither sind über 18 Monate vergangen. Haben Sie für Ihre Studie denn genügend Freiwillige gefunden und konnten Sie Ihr Leistungsversprechen auch erfolgreich einlösen?
Macit: Wir hatten über 500 Anmeldungen, dabei brauchten wir nur 80 Teilnehmende, die die Einschlussbedingungen erfüllen, so dass es nichts schwierig war, die Stichprobe zu erreichen. Wie gesagt, haben wir kein Leistungsversprechen abgegeben, können aber anhand von unserer Daten bestätigen, dass die Teilnehmenden von der Studie profitiert haben.
Höhencoach: Die Studienresultate haben Sie ja noch nicht* offiziell publiziert. Können Sie uns dennoch bereits ein paar erste Erkenntnisse verraten?
Macit: Das Manuskript zur Studie wird zeitnah als Pre-Print online gestellt*. Wir haben in unserer Studie überprüft, ob ein zusätzliches kognitives Training ergänzend zur Expositionstherapie einen zusätzlichen Nutzen bringt. Wir konnten feststellen, dass es direkt nach dem Training positive Auswirkungen zu kognitiven Verzerrungen in Bezug auf Höhen gibt, diese jedoch langfristig nicht erhalten geblieben sind. Näheres erfahren Sie in der Publikation*.
Höhencoach: Habe ich mir aus unserem letzten Gespräch richtig notiert, dass Sie Ihre Studienteilnehmenden auch bewusst haben Treppen hoch rennen lassen, übermässig viel Espresso trinken und auf den Drehstuhl gesetzt, um Angstsymptome hervorzurufen? Weshalb war dies für Ihre Studie wichtig?
Macit: Das ist ein Missverständnis, diese Techniken haben wir im Rahmen der Studien nicht benutzt. Solche Techniken werden grundsätzlich bei der Behandlung der Panikstörung genutzt und nennen sich Symptomprovokation, das heisst, wir provozieren Symptome, die der Angst ähneln, um eine Umbewertung der Angstsymptome zu erreichen.
Höhencoach: Was haben Sie in Ihrer Studie sonst noch spannendes und für Sie vielleicht auch überraschendes festgestellt?
Macit: Etwas überraschend war, dass das Vermeidungsverhalten beim Follow-Up noch niedriger war, als bei der Post-Messung, was für eine langfristige Verbesserung spricht. In den Fragebögen konnten wir diesen Trend nicht sehen.
Höhencoach: Das klingt doch vielversprechend. Glauben Sie, dass grundsätzlich alle Betroffenen durch eine begleitete Expositionstherapie von ihrer Höhenangst befreit werden können?
Macit: Ich kann kein Pauschalurteil fällen. Grundsätzlich wissen wir durch viele klinische Studien und auch aus unserer therapeutischen Erfahrung, dass die Expositiontherapie die effektivste Therapie bei spezifischen Phobien ist. Es gibt aber immer wieder die Situation, dass einzelne Personen nicht profitieren oder rückfällig werden.
Höhencoach: Als wir gemeinsam das FEAR-Modell von Höhencoach besprochen hatten, haben Sie sich insbesondere dafür stark gemacht, dass Methoden wie «Atemübungen» oder „Blicktechnik“ nicht als Heilmittel gegen Höhenangst angepriesen werden sollen, weil sie zwar im Moment das Angstgefühl reduzieren können, aber doch primär nur die Symptome bekämpfen und im Kern davon ablenken, sich seiner Angst wirklich auszusetzen. Können Sie Ihre Haltung den Lesern bitte nochmals erläutern?
Macit: Diese Verhaltensweisen sind grundsätzlich eher Vermeidungstechniken, beziehungsweise Sicherheitsverhalten. Man lenkt sich in der Situation von der Angst ab, aber macht keine neue Erfahrung in der beängstigenden Situation. Dadurch lernt man, dass man beispielsweise diese Techniken braucht, um die Situation auszuhalten, weil sie so bedrohlich ist. Das wollen wir aus therapeutischer Sicht nicht begünstigen.
Höhencoach: Vielen Dank für diese Erläuterungen. Nun sind wir natürlich gespannt auf die Publikation Ihrer Studienergebnisse. Wann dürfen wir denn damit rechnen?
Macit: Drücken Sie uns die Daumen, dass wir gut gesinnte Reviewer haben, damit es nicht allzu lange dauert. Grundsätzlich kann es nach dem Einreichen schon ein paar Monate dauern.
Höhencoach: Wunderbar. Wir werden Ihre Ergebnisse sicher in unseren Kommunikationskanälen verlinken und mit unserer Community teilen. Viel Erfolg und besten Dank nochmals für dieses Interview.
Macit: Gerne!
*Anmerkung: Das Manuskript zur erwähnten Studie steht nun seit dem 28. Februar 2025 zur Verfügung und kann über folgenden Link kostenlos heruntergeladen werden: «Challenging Heights: Findings from a Randomized Controlled Trial Testing Interpretation Bias Modification as an Adjunct to Exposure Therapy for Acrophobic»
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Bild: Beray Macit